Kräuterwissen: Hagebutte

Kräuterwissen: Alte Heckenvielfalt

16. Oktober 2015 , In: Natur, Wild werden
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Gut ist: den Fortbestand alter Pflanzenarten zu sichern

Das zweite Blockwochenende meiner Ausbildung zur Kräuterpädagogin drehte sich gänzlich um herbstliche Hecken. Während man als Laie versucht ist, sich darunter schlicht hübsch verfärbende Laubbüsche zur Begrenzung von Grundstücken o.ä. vorzustellen, wurde ich dort relativ rasch eines besseren belehrt: Es gibt jede Menge Heckenpflanzen, die ganz in unserer Nähe wachsen, die wir vielleicht auch vom Sehen kennen – deren Früchte oder gar Bedeutung uns aber nicht annähernd bewusst ist.

Vielfältige herbstliche Hecken

Unter den Ästen eines Weißdornstrauches legte man so zum Beispiel Rast ein und verweilte insbesondere dann, wenn man einen geistigen Impuls ersehnte. Außerdem sind seine roten Beeren wirklich tolle Früchte, die nicht nur einen leckeren Likör ergeben, sondern auch als Tee oder Tinktur mitsamt Blättern und Blüten eine gefäßerweiternde Wirkung haben und den Herzmuskel stärken. Und der Weißdorn ist wunderschön, wie diese Detailaufnahme einer herbstlichen Hecke bezeugt:Kräuterwissen: Weißdorn im DetailKräuterwissen: WeißdornheckeAber nicht nur dem Weißdorn sollte mehr Beachtung geschenkt werden. Kornelkirsche („Dirndl“), Schlehe, Wildapfel, Hundsrose und noch viele andere alte Sorten warten mit optischen wie geschmacklichen Vorzügen auf.

Was in den einzelnen Pflanzen steckt, wird im Laufe der Zeit aufgelöst werden; jedoch noch nicht in diesem Artikel. Hier soll anderes im Vordergrund stehen. Nämlich das Bewusstsein, diesen Heckenpflanzen wieder mehr Achtung schenken zu müssen, wenn wir nicht wollen, dass sie bald völlig verschwinden. Lange Zeit empfand man derartige Sträuche als lästig, wenn sie etwa zur Grundstücksbegrenzung auf einem Wiesenstreifen zwischen zwei Äckern wuchsen. Natürlich ist es praktischer, dort nicht auch noch mähen zu müssen. Aber die rigorose Wegweisung, also das Entfernen der Sträucher und das Eingliedern der Wiesenstreifen in die Äcker, nimmt diesen wertvollen Wildpflanzen ihren Lebensraum.

Die Generation der heute rund 50- bis 60-Jährigen verlor vielleicht gerade ein wenig das Bewusstsein, die Schätze der Natur zu bewahren und zu nutzen, wo doch die moderne Technik plötzlich in der Lage war, so Vieles synthetisch herzustellen. Was unsere Großeltern und deren Vorfahren in Ermangelung von Alternativen als selbstverständlich wähnten, nämlich die lokale Pflanzenwelt bei scheinbar jeder Gelegenheit anzapfen zu können, geriet fast in Vergessenheit. Heute würden wir das gerne wieder machen. Back to the roots, zurück zu den Wurzeln – im wahrsten Wortsinn streben immer mehr Menschen danach, sich mit dem Naheliegenden zu versorgen. Im Idealfall sollen Lebens- wie Heilmittel weniger komplex zusammengesetzt, einfach nachzuvollziehen sein. Keine Stabilisatoren und E-Nummern, echte Nahrung. Keine weißen, blauen und roten Pillen, sondern Heilkräuter. Was bietet sich da besser an, als die ursprüngliche Natur rund um uns? Wir sollten wieder essen können, was früher gegessen wurde. Wir sollten Tees und Tinkturen aus den Wildkräutern bereiten können, die so viele für uns essentielle Wirkstoffe enthalten. Was wir aber dringend benötigen, ist das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit dafür. Andernfalls geht uns sowohl das Kräuterwissen verloren, als auch die Möglichkeit, uns an den Pflanzen zu bedienen. Einmal ausgerottet wird es schwer, sie einfach wieder herzustellen. Denn in der Konzeption von Pflanzen ist uns Mutter Natur mehr als nur eine Pinocchio-Nasenlänge voraus.

Pflanzt alte Pflanzen!

Es gibt eine ganz einfache Strategie gegen das Verschwinden von Sorten. Und zwar die, ihnen Raum zu geben und sie wachsen zu lassen. Kulturpflanzen sind gut und schön und besser als keine, aber an die Ursprünglichkeit an Form, Zusammensetzung und Wirkstoffen von Wildpflanzen reichen Züchtungen nicht heran. Während gewisse Eigenschaften betont werden, kultiviert man wiederum andere oft damit einhergehend weg. Wenn euch also ein Stückchen Erde zur Verfügung steht, ihr einen Garten euer Eigen nennt: Pflanzt, was ursprünglich war! Helft mit, das, was der Boden rund um uns auf natürliche Art und Weise hervorgebracht hat, auch weiterhin entstehen zu lassen. Es sollte ja offensichtlich genau in der Art bei uns wachsen. Die optische und inhaltsbezogene Modifizierung der Pflanzenwelt, wie sie auch der Beitrag über die Verwertung von ausgemustertem Obst und Gemüse thematisiert, ist aber dabei, Ursprünglichkeit auszurotten. Nicht umsonst nennt man alte Sorten Pflanzenraritäten. Ihr wisst schon, diejenigen, die so lustig aussehen: gefleckte Paprika, violette Karotten und Kartoffeln. Helft mit zu verhindern, dass diese Seltenheiten unseren Kindern und Kindeskindern nur noch dann im Biologieunterricht gezeigt werden, wenn sie ein Spezialisierungsmodul für Pflanzen von anno dazumals besuchen.

Gemeinsam säen und ernten

Mittlerweile haben sich in den Bundesländern Initiativen zusammengeschlossen, die uns Durchschnittsmenschen genau dabei unterstützen möchten. Denn woher sollten wir die alten Heckenpflanzen bekommen, wenn nicht aus der regionalen Landwirtschaft?
Darum findet beispielsweise der Heckentag in Niederösterreich am 05. November 2016 statt. Rund 30 verschiedene Sorten stehen zur Auswahl, die man um nur je 2,10 Euro beziehen kann. Informiert euch doch, vielleicht gibt es in euer Gemeinde ähnliche Bestellaktionen!

Ich kann nur für mich sprechen, auf unserem Grünland werden künftig zehn alte Hecken und Büsche mehr wuchern, so der Wettergott und die im Herbst sicher hungrigen Mäuschen wollen. Vielleicht motiviert es zusätzlich, dass scheinbar alle der angebotenen Pflanzen ihre entsprechenden Seiten in Wildkräuterbüchern haben, also mit Wirkstoffen und Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung echt nicht geizen. Und wenn man weiß, wo sie wachsen, muss man sie ja auch nicht lange suchen :-)

Und in der Zwischenzeit noch ein paar Bildchen für euch zum Appetit holen:

Kräuterwissen: PfaffenhütchenKräuterwissen: Gemeiner SchneeballKräuterwissen: Hagebuttentee

Update nach dem Heckentag:

10 alte Heckensorten erfolgreich gepflanzt

…wobei, ob erfolgreich oder nicht wird sich nach dem Winter zeigen. Zumindest haben wir es recht gut gemeint und jede einzelne Pflanze mit einem Schutzgitter versehen, damit sie nicht als Knabberzeug für Rehe und Hasen an dunklen, kühlen Winterabenden dienen :-)

Jedenfalls haben wir folgende alte Sorten nach bestem Kräuterwissen und Gewissen in unserem zukünftigen (meinem elterlichen) Garten eingesetzt:

  • Weißdorn
  • Schlehdorn
  • Sanddorn
  • Wildapfel
  • Wildbirne
  • Eberesche
  • Eibisch
  • Hundsrose
  • Pfaffenhütchen
  • Kornellkirsche alias Dirndl

Dann heißt’s nun abwarten und winterlichen Tee trinken! Ich freu mich jedenfalls sehr über die neue Vielfalt im Garten. Und hab festgestellt, dass sich der Platz optimal anbietet, im nächsten Jahr noch erweitert zu werden.

Hier sieht man, dass oben und unten zum Bestand die jungen Hecken gesetzt wurden:

goodblog: Kraueterwissen - herbstliche HeckenProfessionell eingepackt :-)

goodblog: Kraueterwissen - herbstliche Heckengoodblog: Kraueterwissen - herbstliche Hecken

    • Evy
    • 2. November 2015
    Antworten

    Schön, dass du das deinen Lesern ins Bewusstsein rufst! ich denke, beides kann nebenher existieren. Unsere Vorfahren haben mit diesen Pflanzen gut gelebt, also können wir sie nutzen. Pflanzen geber mir das Gefühl, dass der Körper das verwerten kann und dass es … wirkt. Allerdings möchte ich auf die chemisch hergestellten Produkte nicht verzichten, wenn sie effektiver bzw. zuverlässiger wirken :-)

      • Carmen
      • 11. November 2015
      Antworten

      Vielen Dank, liebe Evy! Das ist es, was ich vermitteln möchte. Dass es eben neben den chemischen, schulmedizinischen Sachen auch komplementär noch etwas gibt, das uns die nahe Umwelt zur Verfügung stellt und wir einfach nur wahrnehmen müssen. Oder das wir uns eben auch einverleiben sollten und können, wenn wir noch gar keine Problem(ch)e(n) haben :-) Wenn’s dann aber sein muss, bin ich schon auch dankbar, dass es medizinische Keulen gibt, die auch helfen. Aber ich mag bitte in so wenig wie möglich Situationen kommen, wo diese benötigt werden und bin auch bemüht, meinem Umfeld einen Lebensstil ans Herz zu legen, mit dem man – so man Glück hat – da auch ein wenig gegensteuern kann.

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