Der Grundgedanke von Schule am Bauernhof ist genau der. Jene Kinder, die nicht in der Selbstverständlichkeit landwirtschaftlicher Abläufe aufwachsen, sollen verstehen, wie die Lebensmittel in den Supermarkt kommen. Für diese Initiative öffnen Höfe ihre Tore und lassen sich eigens ausbilden, um der jüngsten Generation dieses Wissen eindrucksvoll näherzubringen.
Fürs Biomagazin und unsere Artikelserie hab ich einen solchen Hof besucht. Der Biohof Losbichl thront am schönsten Sonnberg in der oberösterreichischen Laussa. Aber seht und lest selbst, was mir die jungen Bauersleut dort erzählt haben:
Der Artikel im Biomagazin: Wir lernen unser Essen kennen
Warum sollten die Kleinsten bereits wissen, wie eine Landwirtschaft funktioniert? Carmen Hafner besuchte Familie Schörkhuber auf ihrem Biohof Losbichl, einem Schule-am-Bauernhof-Betrieb.
Am Hügel thront der Biohof Losbichl
Am Losbichlhof entdeckt man die sprichwörtliche Sonnenseite des Lebens. Gelegen auf dem meist nebelfreien Sonnberg in 600 Metern Seehöhe sagen sich hier Fuchs und Hase gute Nacht – oder eher Kuh, Schaf, Schwein, Pute, Huhn und Ente. Landwirt Hannes, 41, und seine Frau Kathrin Schörkhuber, 35, genießen samt ihren vier Töchtern hier in Oberösterreich die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Daraus resultiert die große Vielfalt am Hof: Was ursprünglich die sechsköpfige Familie samt Großeltern rund ums Jahr ernähren sollte, wird nun im großen Stil per Direktvermarktung verkauft. Milch, Eier, Wurst, aber auch Frischfleisch und Fisch gehen im Hofladen über den Tresen.
Ab Hof kann man am Biohof auch shoppen
Damit man die hochwertigen Lebensmittel vom Biohof nicht nur fix-fertig erwerben, sondern auch hinter die Kulissen blicken kann, öffnen die Schörkhubers gerne Tür und Tor. Immerhin steckt auch viel harte Arbeit hinter einer funktionierenden Landwirtschaft. Wir haben mit Hannes darüber geplaudert:
Warum hältst du es für wichtig, zu zeigen, wie Landwirtschaft funktioniert?
Weil immer weniger Leute wissen, was in unseren Lebensmitteln steckt. Gerade den Kindern muss man das unbedingt vor Augen führen. Das Essen stammt nicht aus dem Supermarkt. Bevor es dorthin gelangt, haben eine Menge Leute Arbeit damit. Sie sollen auch sehen, dass ihr Fleisch vorher gelebt hat. Und dass es wichtig ist, wie es lebt. Gemeinsam mit der Aktion Schule am Bauernhof können Kinder bei uns am Hof sogar „Einen Tag Bauer sein“.
Bauer Hannes auf seinem Hof
Was erwartet die Kinder bei euch?
Je nach Saison nehmen wir sie mit in unseren Alltag und lassen sie mitarbeiten. Im Frühjahr säen wir gemeinsam auf den Gemüseäckern Pastinaken, Karotten und Rüben; ein anderes Mal steht Unkraut zupfen, Kartoffel klauben oder die Pflege der Hochbeete am Stundenplan. Bei uns sollen sie wirklich etwas lernen, anpacken. Wir nehmen uns die Zeit, zu erklären, und profitieren im Gegenzug von der Unterstützung bei den Tätigkeiten.
Die Hochbeete für Gemüse und Kräuter, hier wird gemeinsam gezupft & geerntet
Eigens begradigte Fläche zum Fußballspielen für die Kids
Wer kommt zu euch?
Meist besuchen uns Kinder aus den dritten und vierten Volksschulklassen oder die ersten beiden Hauptschuljahrgänge. Sie kommen extra für Tagesexkursionen aus dem Umland oder den nächsten größeren Städten zu uns, wenn sie nicht ohnehin hier im Nationalpark Kalkalpen auf Landschulwoche weilen. Die Schüler aus den Städten kennen landwirtschaftliche Abläufe naturgemäß am wenigsten – wobei jene mit Migrationshintergrund oft sogar mehr Ahnung haben. Gerade in den Ostländern ist es noch üblich, ein paar Kühe zu besitzen. Wenn die Kinder in den Ferien zum Beispiel die Oma dort besuchen, werden sie mit diesem Leben ebenso vertraut. Kinder aus der Stadt, deren Eltern selber kein Augenmerk auf eine bewusste Ernährung legen und denen es auch noch an Zeit mangelt, haben es da schwerer.
Wie gefällt den Schülern eure Art von Unterricht?
Es gibt schon Klassen, denen man anmerkt, dass sie ohne die ganzen Reize gar nicht mehr sein können. Wer gewöhnt daran ist, ständig mit dem Handy zu spielen, legt das auch hier kaum ab. Wir versuchen allerdings, das zu unterbinden. Schön ist, zu sehen, wie das manchmal durch einfachste Mittel klappt. Da kann es schon mal sein, dass sich eine ganze Schulklasse die Wiese hinabrollt, weil sie das von zuhause nicht kennt, aber entdeckt, wieviel Spaß das macht. Oder die ganze Horde eine Stunde lang Heuschrecken fängt, weil einer damit beginnt und schlussendlich alle schwer konzentriert mitmachen. Üblicherweise auffällige Kinder werden plötzlich zu Lämmchen, weil sie eine Aufgabe bekommen. Wir wissen übrigens gar nicht, wer sich im klassischen Unterricht wie verhält – das wollen wir uns nicht vorab sagen lassen. Die Lehrer halten sich im Hintergrund und fungieren lediglich als Aufsichtspersonen. So werden die Karten hier auch im Sozialen ganz neu gemischt, jeder kann sein, wie er möchte.
Welche Motivation lässt euch Schule am Bauernhof veranstalten?
Wir wünschen uns, dass die Kinder wieder einen Boden unter ihre Füße bekommen. Es ist doch mehr als tragisch, wenn sie die grundlegendsten Dinge nicht mehr wissen, etwa wo ihr Essen herkommt. Es muss wieder wichtig werden, unverarbeitete Produkte zu kennen und zu essen. Der Nachwuchs denkt, Lebensmittel stammen aus dem sauberen, aufgeräumten Geschäft. Dabei kommen die Kartoffeln dreckig aus dem Feld. Das Bewusstsein, dass solche Abläufe ursprünglich sind, ganz normal, wollen wir wieder wecken. Immerhin sind die Kinder die Konsumenten von morgen. Sie beeinflussen nicht nur ihre Eltern, sondern lenken quasi heute schon mit, wohin die Reise geht.
Ist schon ein Umdenken spürbar?
Gewissermaßen ja. Früher zeugte es von Status, ein Steak aus Argentinien kaufen zu können. Jetzt ist es cool, regional zu shoppen. Das Bio-Fleisch vom glücklichen Wagyu-Rind, das zwar exotisch klingt, aber in der Nähe lebt, schmeckt jetzt den meisten besser. Schön wäre allerdings noch, wenn ein wenig von der Anonymisierung des Landwirts verschwände.
Biobauer Hannes zeigt, wo der Schule-am-Bauernhof-Tag üblicherweise startet, dort oben nämlich
Man soll hinterfragen, wer verantwortlich ist?
Landwirtschaft soll transparent sein. Im Geschäft wird nicht mittransportiert, woher die Produkte stammen. Die Leute dürfen aber gern kommen und sehen, wer dafür verantwortlich ist und wie gearbeitet wird. In der Tat laufen einige Betriebe unorganisiert – viele sind jedoch vorbildlich und sorgen für ihre Tiere über die Vorschriften hinaus. Ich möchte etwa zeigen, dass man sein Vieh so halten kann, wie man will, nicht nur, wie man muss. Es geht auch über die Minimalanforderungen hinaus, selbst im Bio-Bereich. Und die Kunden sollten sich selbst ein Bild davon machen und Vertrauen aufbauen.
Eine Unterführung, um den Kühen jederzeit das Hinausspazieren zu ermöglichen
Für die Muhkühe natürlich nur die beste Aussicht
Das ist schon ein Anwesen, der Biohof Losbichl am Sonnberg: Auf über 60 Hektar leben 85 Rinder, 40 Schweine, 15 Schafe, etwa 350 Hühner, 80 Puten, 60 Enten – sowie drei Generationen der Schörkhubers. Kathrin, Hannes, seine Eltern sowie die vier Töchter der Jungbauernfamilie haben ordentlich was herzuzeigen. Und sämtliche Produkte frisch zu verkaufen. Am besten auf der Homepage die Termine checken!
Ab-Hof-Verkauf von Bioprodukten: Fleisch, Wurst, Fisch, Milch und Milchprodukte, Eier
Kathrin & Johannes Schörkhuber
Sonnberg 6
A-4461 Laussa, OÖ
www.biolosbichl.at
Das Projekt zum Lernen in der freien Natur gibt es seit mittlerweile fast 20 Jahren in allen Bundesländern. Getragen von der Österreichischen Bauernkammer vermittelt es den Kindern Einblicke in Lebensbereiche, von denen alle unmittelbar, wenn auch oft unbewusst, betroffen sind. Die Konsumenten von morgen sollen Verständnis für ökologische und ökonomische Zusammenhänge entwickeln.
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