Der Spätherbst ist die Zeit des Wacholders. Er macht deftige Gerichte leichter verdaulich und kommt beim Räuchern zum Einsatz.
Das Sauerkraut, das wir die letzten Wochen gemacht haben, verträgt etwas von seiner Würze. Aber auch Wildgerichte bekommen oft erst ihr vollmundiges Aroma, wenn er mit von der Partie ist: der Wacholder. Das Gewürz direkt vom Nadelbaum erlebt momentan nicht nur ganz trendig als Gin seine Renaissance. Unsere Vorfahren wussten immer schon, wofür sie die dunklen Beeren und das Nadelgehölz in der dunklen Jahreszeit einsetzen müssen.
Als Würzmittel ist der Wacholder eine weithin etablierte Pflanze. Besonders für Saucen und Fleischgerichte wird er gern eingesetzt; die Alpenküche schätzt sein holziges Aroma. In Kombination mit Lorbeerblättern, Rosmarin und Piment harmoniert er perfekt. Über Wacholderholz geräuchertes Fleisch, aber auch Fisch, erhält so den charakteristischen Geschmack.
Doch die Pflanze kommt keinesfalls nur zur reinen Gaumenfreude auf den Tisch. Wacholder mitgekocht wirkt magenstärkend und hilft dabei, schwere Speisen besser zu verdauen. Eine Beere zerkaut bringt frischen Atem. Wer Probleme mit dem Magen hat, darf außerdem nach dem Essen schon mal zu einem bitteren Verdauungsstamperl greifen – Schnaps an sich ist nicht die Lösung, auch wenn sich dieses Gerücht in österreichischen Gastwirtschaften hartnäckig hält. Ein alkoholischer Auszug aus Magenkräutern, wie es der Wacholder nun mal ist, kann allerdings die herbeigesehnte Erleichterung herbeiführen. Bitterstoffe kurbeln Speichelfluss und somit bereits die Verdauung an. Der Wacholder verfügt immerhin über einige dieser Stoffe. Im aktuell sehr angesagten Gin Tonic ist eine Gurkenscheibe unerlässlich; sie rundet das Bittere angenehm ab.
Wacholder weist zudem als Tee überaus wirksame Eigenschaften im Bereich der Harnwege auf. Ein Teelöffel Beeren mit kochendem Wasser übergossen soll fünf Minuten ziehen. Bei Harnwegsinfekten und Steinleiden hilft diese Ausleitung. Anwenden dürfen das allerdings nur Menschen ohne Nierenleiden, da der Wacholder die Nierenfunktion stark ankurbelt. Längerfristige Anwendungen sowie der Einsatz während der Schwangerschaft wird ebenfalls nicht empfohlen, wenngleich keine Nachweise für eine daraus resultierende Nierenschädigung vorliegen. Wie immer gilt jedenfalls: Alles mit Maß und Ziel einnehmen!
Wer sagt eigentlich, dass immer alles eingenommen werden muss? Der Wacholderbaum ist als Räuchermittel mindestens so populär wie als Gewürz und Medizin. Das enthaltene Harz, die ätherischen Öle und das Wachs lösen sich wie viele weitere gute Stoffe in Rauch auf und dringen auf diese Art dorthin vor, wo sie benötigt werden. Verwendete man verräucherten Wacholder früher mit Leidenschaft als Schutz vor Hexen und bösen Geistern, weiß man heute auch seine Wirkung als effizientes Desinfektionsmittel zu schätzen. Selbst in manchen Krankenhäusern wurde und wird gelegentlich geräuchert, um die Ansteckungsgefahr zu vermindern.
Üblicherweise nimmt man zum Räuchern gern das Gehölz. Eher untypisch ist, dass Früchte verwendet werden. Bei den Wacholderbeeren ist das anders. Ihr hoher Zuckergehalt sorgt dafür, dass sie im Rauch eine ganz spezielle, süßliche Note entfalten. Falls Sie keinen Wacholderbaum im Garten haben, können Sie hierfür übrigens auch ganz einfach die im Supermarkt erhältlichen Gewürz-Wacholderbeeren nehmen.
Auf diesem Bild vom Juni sind die kostbaren Beeren noch grün
Als Wildpflanze ist der Wacholder leider bei uns schon ziemlich selten. Wer Glück hat, findet aber einen im Unterholz von lichten Wäldern, auf Heiden und Berghängen. Halte dabei Ausschau nach einer strauchartigen Pflanze, weniger nach einem Baum. Und bitte ordentlich bestimmen! Gerade in Gärten tummelt sich gern in der Nähe die hochgiftige Eibe. Ihre Beeren sind zwar leuchtend rot, doch kann man nie genug Vorsicht walten lassen.
Immer sorgfältig bestimmen! Rechts oben am Bild seht ihr die giftige Eibe
Wer’s probieren mag:Der Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp empfahl eine 30-tägige Kur zur Blutreinigung.
Am 1. Tag kaut und schluckt man dreimal täglich je eine Wacholderbeere. Pro Tag erhöht sich die Anzahl um eine Beere pro Verabreichung. Am 15. Tag ist der der Zenit erreicht, ab da geht’s schrittweise wieder abwärts und es wird wieder je eine Beere weggelassen, bis man bei der Ausgangsdosis angelangt ist.
Heute gilt diese Form der Reinigungskur allerdings als etwas überholt und mit Vorsicht zu genießen, da sie zu Nierenreizungen führen kann.
Noch ein bisserl was zum Drüberstreuen:
Märchenhaftes
Wusstest du, dass…
- …ein Märchen der Gebrüder Grimm „Von dem Machandelboom“ handelt und damit der Wacholderbaum gemeint ist? In dem plattdeutschen Märchen mit recht grausiger Handlung spielt der Wacholder eine tragende Rolle als Verbindung zur Anderswelt, den Toten, und ordnet die Bedeutung von Richtig und Falsch.
- …der Wacholder in Teilen Österreichs und Bayerns „Kranewitt“ genannt wird? Der Name geht auf die althochdeutsche Entsprechung „Kranichholz“ zurück. Im obengenannten Grimm-Märchen entsteigt dem Wacholderbaum ein Verstorbener als schöner Vogel; mythische Parallelen lassen sich demnach eindeutig erkennen.
- …in vielen Sagen unter dem Wacholder der Schlüssel zu Schätzen verborgen liegt?
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