Seit ewigen Zeiten tun die Leute gut daran, sich bereits vor der kalten Jahreszeit mit haltbaren Lebensmitteln einzudecken. Man rüstet sich für die Periode, in der einfach nichts wächst. Heute erlebt diese Besinnung auf regionales, saisonales Essen neuen Aufschwung. Vielleicht haben auch Sie es gemerkt: Spätsommer und Herbst waren irgendwie wieder verstärkt gekennzeichnet vom Einlagern, Einkochen, Einsalzen, ja manchmal sogar dem Fermentieren von Ernteschätzen – wenn möglich auch noch aus dem eigenen Garten.
Dieses neuentdeckte Bewusstsein tut gut. Es erinnert an die ursprüngliche Form unserer Ernährung, lange bevor der Import Erdbeeren im Winter und exotische Früchte in die Supermärkte gebracht hat. Derartige Möglichkeiten sind schmackhaft, doch sie wollen mit Bedacht genutzt werden. Ich selbst liebe süße Mangos, aber gönne sie mir nur sehr selten. Vielmehr achte ich darauf, die Wege meines Essens kurz, dadurch die Verschwendung an Ressourcen klein und den Nährwert hoch zu halten, weil es rasch nach der Ernte bei mir auf dem Teller landet.
Umso schwieriger wird es jetzt. Wir haben endlich wieder einen richtig tollen Winter, aber er dauert eben. Die letzten Kürbisse sind verkocht, Wurzeln und Knollen in allen erdenklichen Variationen wachsen bald aus den Ohren raus, wenn man sich tatsächlich schwerpunktmäßig an unserem Wintergemüse bedient. Vom Obst selbstverständlich ganz zu schweigen; hier stellen Lageräpfel und Trockenfrüchte die einzig wirklich brauchbaren Nährstofflieferanten aus heimischem Wuchs dar. Wenn da nicht diese kleinen, zarten Kraftpakete wären, die wir innerhalb weniger Tage direkt bei uns zuhause großziehen können. Rettung naht, lasst uns nicht darauf vergessen!
Während noch lange kein reifes Obst und Gemüse aus eigener Ernte in Sicht ist, die ersten Frühlingskräuter noch unter der Schneedecke schlummern, bringt sie uns sprießende Gaumenfreude: die Kresse.
Wer sich müde und schlapp fühlt, kommt mit ihrer Hilfe rasch wieder zu Kräften. Sie wirkt nämlich stoffwechselanregend, blutreinigend, blutzuckersenkend und harntreibend. Dabei ist sie außerordentlich vitaminreich, enthält ätherisches Öl, Bitterstoffe und vor allem Senfölglykoside – das sind die gesundheitsfördernden Bestandteile, die viele Kreuzblütler so scharf schmecken lassen.
Alle Kressearten enthalten Stoffe, die als pflanzliche Antibiotika gelten. Allen voran die Kapuzinerkresse, die wild wachsende Brunnenkresse, aber auch die allseits bekannte Gartenkresse. Sie schmecken pikant und wirken keimtötend. Konservieren kann man die Pflanze allerdings nicht wirklich, da sich die wertvollen Inhaltsstoffe bereits kurze Zeit nach dem Abschneiden verflüchtigen. Aufbewahren lohnt sich aber auch gar nicht, da die Gartenkresse das ganze Jahr über bequem zuhause gezogen werden kann. Einfrieren rentiert sich ebenso wenig; sie mundet frisch ohnehin am besten.
Es reicht, in ein wenige Zentimeter tiefes Gefäß eine dünne Schicht Erde oder eine saugfähige Unterlage zu geben. An die klassischen Kresse-Keimversuche aus Kindestagen auf dem Wattebausch kann sich wohl jeder erinnern – und das funktioniert immer noch genauso. Die Samen darauf dicht aussäen und feucht halten. Schon bald beginnen die Samenkörner zu keimen. Nach rund sechs bis acht Tagen ist die Kresse groß genug, um geerntet zu werden.
Übrigens: Wer seiner Lust auf Butterbrot mit frischem Grün sofort nachgeben möchte, findet derzeit in sämtlichen Geschäften mit Gemüseabteilung die kleinen Kartons voller schnittreifer Kresse.
Es gibt da noch etwas, das ähnlich einfach gezüchtet werden kann. Die Sprossen verschiedenster Pflanzen versprechen nicht nur mehr Pepp für sämtliche durch sie verfeinerte Gerichte, sondern ebenso viele Nährstoffe. In eigenen Sprossengläsern oder simplen Eigenbauten wachsen sie von Samen zu kleinen Pflanzen heran, die auch auf dem Brot, in Salaten oder gebraten als Pfannengerichte zum Einsatz kommen.
Derlei Sprossen bieten eine bunte Vielfalt an Möglichkeiten, regionale Vitaminbomben selbst zu züchten. Beinahe alles lässt sich dafür verwenden: Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen, Rettich, Leinsamen sowie Quinoa, Amaranth oder Getreide. In einem Anzuchtset aus Wasserbehälter und Siebeinsatz ziehe ich gerade Weizengras – warum ich davon allerdings nicht so begeistert bin, lest ihr ab Mittwoch hier.
Ein solches Set ist aber gar nicht unbedingt nötig.
Im Handel sind Siebaufsätze erhältlich, die auf gewöhnliche Honiggläser passen. Die Samen zwei- bis dreimal täglich kalt abspülen, Wasser durchs Sieb auslaufen lassen und schräg aufstellen, damit auch der Rest aus dem Glas entweichen kann. Sprossen mögen keine Staunässe, keine Wärme und kein direktes Sonnenlicht. Berücksichtigt man dies, erhält man innerhalb kurzer Zeit knackiges Baby-Gemüse aus eigener Aufzucht.
Es erscheint bloß logisch, dass wir uns im Frühjahr nach der geballten Pflanzenkraft sehnen. Im Samenkorn sind bereits die gesamten Anlagen gespeichert, die später zum Wachsen und Gedeihen benötigt werden. Essen wir nun diesen Trieb, der mithilfe von Wasser sämtliche Energie bündelt, um aus dem bloßen Korn zu entstehen, nehmen wir all das mit unserer Nahrung auf.
Ein einziges, kleines Manko gibt es: Liegen die Kressesamen oder Sprossenmischungen zu lange herum, kann die Keimfähigkeit verloren gehen. Besser tatsächlich aufs Ablaufdatum schauen, bevor man schlussendlich enttäuscht wartet.
Mit nur vier Zutaten bringt man eine wirklich kraftbringende Speise auf den Tisch. Gekochte Kartoffeln mit Butter und Salz waren meines Großvaters Leibspeis. Mit einer bunten Sprossenmischung oder frischer Kresse getoppt wird daraus eine Mahlzeit, die Energie spendet und nicht schwer im Magen liegt. Ein idealer Kontrast zu gehaltvoller Winterkost, der schon mal den Weg in die nächste Jahreszeit weist.
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Ohja Sprossen sind bei uns im Winter auch sehr beliebt. Wir mögen sehr gern Bockshornkleesprossen und Linsensprossen. Auf die Idee mit den Kartoffeln sind wir allerdings noch nicht gekommen, schmeckt bestimmt sehr lecker. Das werden wir ausprobieren.
Viele Grüße aus Ye Olde Kitchen, Eva
Jaaa Bockshornklee werd ich jetzt dann mal ausprobieren – die hab ich im wh zitierten Artikel von Lisa auch gelesen! Und eigentlich hab ich eh welche daheim herunliegen… eine Schande, haha!
Danke jedenfalls nochmals für den Hinweis :-)
Liebe Grüße,
Carmen
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