Die Raunächte stehen vor der Tür. Zeit, Revue passieren zu lassen.
Letztens betrachteten wir an dieser Stelle das Räuchern vom gesundheitlichen Standpunkt. Wertvolle Bestandteile heimischer und exotischer Pflanzen besitzen nämlich sogar in Rauch aufgelöst medizinische Wirkstoffe. Vieles davon lässt sich belegen und nachweisen.
Die andere, wissenschaftlich weniger greifbare Komponente der Räucherpraxis ist in unserem Kulturkreis aber genauso präsent. Im Jahresverlauf tauchen immer wieder Ereignisse, Stichtage, Feste auf, die sogar untrennbar damit verbunden sind. Momentan stehen wir vor einer ganzen Reihe solcher Tage: die Raunächte rund um die Wintersonnenwende und den Jahreswechsel. Doch was hat es eigentlich mit dieser Phase rund um Weihnachten auf sich?
Die längste Nacht des Jahres, diejenige vom 21. zum 22. Dezember, wird Wintersonnenwende genannt. Ab diesem Zeitpunkt werden die Tage wieder länger, eine Richtungsänderung tritt ein. Sommersonnenwende – genau ein halbes Jahr früher bzw. später am 21. Juni – und Wintersonnenwende sind im Jahreslauf Gegenpole: Im Sommer, wird der längste Tag gefeiert. Genau dann sollen diejenigen Kräuter gesammelt werden, die im kalten Winter, den tiefen Nächten und der Dunkelheit, benötigt werden, um die Kraft des Sommers auch jetzt verfügbar zu haben.
Mit der Wintersonnenwende beginnt der Natur nach eine Art innere Einkehr, die in den Tagen vor und um Weihnachten zelebriert wird. Leider vernachlässigt unsere moderne Gesellschaft diese jahrhundertealte Tradition weitgehend und hastet nun meist besonders eilig durch die Tage. Mach dir das bewusst, vielleicht schaffst du ein wenig Freiraum für dich selbst!
Je nach Region variiert die Anzahl der Raunächte zwischen vier und zwölf. Sie verteilen sich auf die Zeit zwischen Wintersonnenwende und dem Dreikönigstag am 6. Jänner.
Die bekanntesten Raunächte:
- 21./22. Dezember: Wintersonnenwende, Thomasnacht
- 24./25. Dezember: Heilige Nacht, Christnacht
- 31. Dezember / 1. Jänner: Silvesternacht, Neujahr
- 5./6. Jänner: Heilige Drei Könige, Epiphaniasnacht
Ihren Ursprung haben die Raunächte übrigens in der Zeitrechnung nach Mond- und Sonnenjahren. Das Mondjahr wird nämlich in Zyklen zu 29,5 Tagen berechnet, wodurch sich auf das Sonnenjahr eine Differenz von 354 zu 365 Tagen ergibt – diese fehlenden Tage und Nächte werden als „Zeit außerhalb der Zeit“ betrachtet.
Diese quasi geschenkte Zeit zusätzlich zur regulären Zeitrechnung ist aber auch in anderer Hinsicht außerhalb der Norm. Traditionell hat hier die Naturwissenschaft Pause, das Tor zur Anderswelt ist geöffnet, Mythisches schreibt man nun ganz groß. Rituale samt Räucherungen und Gebeten werden praktiziert, um Häuser und Ställe zu reinigen und zu schützen.
Tatsächlich war der Glaube an den Kontakt zu Verstorbenen und zur Unterwelt noch in der Generation unserer Vorfahren, etwa meiner Großmutter, teilweise so mächtig, dass oft in der Heiligen Nacht sogar eine extra Speise für die „Besucher“ kredenzt wurde. Bevor man zu Bett ging, stellte man noch ein Milchkoch mit Zucker und Vanille oder einen Striezel auf den Tisch.
Diese Traditionen kenne ich leider nicht mehr in gelebter Form. Was aber auf jeden Fall auch für uns noch Gültigkeit hat, ist das rituelle Danken und um Segen bitten, das durch schützende Kräuter in Räucherungen untermalt wird.
Die Raunächte sind traditionell eine Zeit, in der zurückgeblickt und um Segen für die Zukunft gebeten wird. Eine Zeit, in der man sich selbst und das vergangene sowie zukünftige Jahr hinterfragen darf. Schließe für dich persönlich das alte Jahr ab. Soweit möglich kläre noch anstehende Angelegenheiten, bezahle Rechnungen, gib Geliehenes zurück und schaffe vielleicht sogar neuen Raum durch Weihnachtsputz samt Ausmisten.
Nutze doch die Gelegenheit, um im weihnachtlichen Trubel zumindest innerlich zur Ruhe zu kommen und sich zum Beispiel folgendes zu fragen:
Besonders schön Zeit, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, hast du, wenn du in den Raunächten mit deiner Räucherschale durch dein Zuhause wanderst. Traditionell widmet man sich in den ersten sechs Raunächten der Vergangenheit, lässt alles im Rauch ziehen, und empfängt in den nächsten sechs Nächten das neue Jahr.
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